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Der Marienfriedhof
 

Es gibt nicht viele Orte in Hildesheim, die für unser besonderes Kunst- und Literaturfest so geeignet erscheinen wie der Marienfriedhof. Einerseits ist der ehemalige Friedhof und heutige Park mit seinen Liegewiesen und dem Kinderspielplatz, gerade bei schönem Wetter, ein beliebter Treffpunkt für Jung und Alt aus den benachbarten Stadtteilen. Andererseits ist er, trotz seiner zentralen Lage, bei vielen Hildesheimer Bürgerinnen und Bürgern, weitgehend unbekannt. Beachtung findet er oft nur als „Unort“, der hin und wieder mit seinem Image als Drogenumschlagplatz zu kämpfen hat.
 
Der Marienfriedhof, das sagt schon sein Name, ist ein öffentlicher Park, dessen bewegte Geschichte den Wandel der Zeiten spürbar werden lässt. Circa 100 Grabsteine oder Reste von Grabstellen sind der Nachwelt dort erhalten geblieben. Wie eine Insel liegt der Park heute inmitten der belebten Hauptverkehrsadern Bahn, Kennedydamm und Kaiserstraße und lädt dort ein zur Ruhe und zum Verweilen. Dieser Umstand und seine sichtbare Vergangenheit machen ihn per se schon zum poetischen Ort.
 
Von Anfang an war uns die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Veranstaltungsortes sehr wichtig. Sie ist ein fester Bestandteil des LyrikParks und hat direkte Auswirkungen auf die Programmgestaltung. 2008 haben wir dazu gezielt mit Expertinnen und Experten der Hildesheimer Stadtgeschichte zusammenarbeiten, um behutsam einen fast „vergessenen“ Ort aus dem Dornröschenschlaf zu kitzeln.
 
 
 
Eine kurze Geschichte des Marienfriedhofes zu Hildesheim

 

12. August 1834 – Einweihung des Marienfriedhofes durch Vertreter der protestantischen und katholischen Kirche.

 

Durch die rasche Zunahme der Bevölkerung und die begrenzten Kapazitäten der bestehenden Friedhöfe, wurde seine Errichtung notwendig. Der Marienfriedhof erhielt seinen Namen nicht von der Jungfrau Maria, sondern von der ersten dort bestatteten Toten, der Stiftsdame „Marie Charlotte Herdtmann“. Der Friedhof lag damals noch vor den Toren Hildesheims, wenn auch nahe der Stadt.

 

1835/36 – Hildesheims erstes Totenhaus wird auf dem Marienfriedhof errichtet.

Zu dieser Zeit herrschte eine große Angst davor, Scheintote bei lebendigem Leib zu begraben bzw. selbst lebendig begraben zu werden. Hier sollte die Leichenhalle, in der man die Toten einige Tage aufbahrte, Abhilfe schaffen. 1945 wurde das, mittlerweile zum Gärtnerwohnhaus umfunktionierte, Gebäude in Folge der Luftangriffe auf Hildesheim teilweise zerstört. Nachdem es 1957 renoviert wurde, riss man den klassizistischen Bau 1982 ab. Der Grundriss ist bis heute zu erkennen.


26. Juli 1844 – Erster Spatenstich für die Eisenbahnstrecke.

Diese wurde zum Teil auf Land errichtet, das schon für den Marienfriedhof vorgesehen und geweiht worden war. Ende des 19. Jahrhunderts verlegte man die Streckenführung und den Bahnhof etwas nach Norden. Das alte Bahngelände erwarb ein Maschinenfabrikant. Dadurch konnte sich der Friedhof nicht mehr ausdehnen und wurde 1933/34 sogar noch verkleinert, als man einen Teil der Friedhofsfläche an die Maschinenfabrik verkaufte. Grabstellen wurden – sofern noch Ansprüche vorhanden waren – umgebettet und wieder hergerichtet. Die Fabrik existiert heute nicht mehr. Die ehemaligen Fabrikhallen wurden zu Grünflächen und in den Bürohäusern sind eine Schule und Teile des Finanzamtes untergebracht.


13.3.1894 – Schließung des Friedhofes aufgrund von vollständiger Belegung.

Schon 1885 beschlossen die städtischen Kollegien, Land für einen neuen Friedhof zu kaufen, da der Marienfriedhof fast vollständig belegt war. Zwar waren auch neun Jahre später noch 451 leere Grabstellen vorhanden, 440 von diesen aber bereits erworben.


1930er – Umgestaltungsarbeiten zur Parkanlage

Wege wurden hergerichtet, ein Haupteingang geschaffen, verwahrloste und unbedeutende Gräber eingeebnet und die Rasenflächen neu eingesamt.


1940er – Nutzung im 2. Weltkrieg

Während des 2.Weltkrieges wurden auf dem Friedhof für die Belegschaft der Maschinenfabrik acht Luftschutzbunker und ein Feuerlöschteich angelegt, die man 1947/48 wieder beseitigte.


1950er – Tummelplatz der Jugend und grüne Oase inmitten der Trümmerstätten

Man schuf eine weitere Liegewiese, sowie einen Spielplatz und schirmte den Park zur Straße ab. Das begünstigte „unsittliches Verhalten“, gegen das die Polizei verstärkt anging.

130 Grabstellen wurden bestimmt, die der Nachwelt erhalten bleiben sollten. Aus den einigen Grabsteinen der übrigen Gräber stellte man Schotter her, der als Füllschicht für das neue Wegenetz diente.


1970er – Wiederholte mutwillige Zerstörung von Grabsteinen.

Alleine in einer Dezembernacht 1975 wurden 12 Grabmale umgeworfen. Da die Mittel zur Restaurierung fehlten, gingen sie verloren.


Heute – Ein städtischer Park

Ungefähr 100 Grabsteine oder Reste von Grabstellen sind erhalten. Auch das hohe Gründungskreuz von 1834 steht unverrückt an seiner Stelle. Der Marienfriedhof ist ein schöner städtischer Park mit Wiesen und Spielplätzen, der vielen Bürgerinnen und Bürgern leider als Drogenumschlagsplatz gilt oder kaum bekannt ist.


Morgen – Ein LyrikPark


Quelle: „Hildesheimer Friedhöfe im Wandel der Zeit“, Verlag Lax Hildesheim, Günther Hein / VHS – 1989-90, (Neuauflage: 1999)